Geschichte - Es war einmal...
In den 60er Jahren, als im Westen die Studenten rebellierten und die Beatles sich anschickten, mit ihren Stromgitarren die Welt zu erobern, gründete im anderen Teil der Welt, die verschont geblieben war von Rock'n Roll und Revolte (weit im Osten) ein evangelischer Pfarrer eine Musikgruppe, die die christliche Jugendarbeit, die als eine Art Reservat zwischen FDJ und gleichgeschalteter Kulturlandschaft überlebt hatte und sich größer werdender Beliebtheit erfreute, mit fetziger Musik begleiten und unterstützen sollte. Ähnliche Bestrebungen gab es überall in den großen Städten der demokratischen Republik. Der Pfarrer hieß Manfred Domrös und die jungen Musiker fand er in den evangelischen und katholischen Gemeinden in und um Brandenburg.
Die Ausstattung einer Band war in der damaligen Zeit des 5-Jahr Plans und der Konsumgüterproduktion keine einfache Sache und so wurde vieles mit einfachsten Mitteln selbst- oder umgebaut. Das reichte von Klinkenverteilern aus Frühstücksdosen über Noten und Mikrofonständer aus Brandenburger Stahl bis hin zu kleinen Effektgeräten mit großer Wirkung und eigenen Boxen. Die fehlenden Teile lieferte - über Partnerschaftsprogramme der Gemeinden durch dunkle Kanäle - der böse Westen.
Neben der Herstellung der nötigen Technik bespielte die schnell wachsende Band die monatlichen Ökumenischen Jugendabende "Monatstreffs" in der Stadt und manchen Jugend- oder Kirchentag im Kirchenkreis oder darüber hinaus. Mit einem ersten Musical-Projekt wurde die Gruppe, die die Bezeichnung "Ökumenische Kreiskirchenband Brandenburg" trug, über die Grenzen des Bezirkes Potsdam als "Öku-Band" bekannt, und bald folgten Veranstaltungen und Konzerte im gesamten Gebiet der ehemaligen DDR.
Den Rahmen bildeten kirchliche Veranstaltungen der unterschiedlichen Konfessionen. Im staatlichen Bereich galt für die Ausübung musikalischer Aktivitäten als Amateure ein strenges Reglement, das von der Teilnahme an so genannten Einstufungen abhing und oft an größere Volkswirtschaftsbetriebe gekoppelt war. Die Möglichkeiten für eine christliche Band, außerhalb der Kirche aufzutreten, waren aus diesen Gründen nahezu nicht vorhanden.
Das war aber auch kein Problem für die jungen Leute, die sich mit Enthusiasmus an unzähligen Wochenenden aufmachten, ihre Technik in Trabant Kombi und Hänger verstauten und dann über Land fuhren. Vor dem Konzert wurde oft noch schnell ein Klavier aus der Pfarrwohnung in die Kirche oder den Gemeindesaal geschleppt und gestimmt, nachgesehen ob der Stromanschluss ausreicht, mit Schlafsack das Quartier im Jugendkeller bezogen, noch schnell 'ne Bockwurst verspeist und los ging's mit dem Konzert oder einem Gottesdienst oder dem Rahmenprogramm für einen Kirchentag in Mecklenburg, Berlin oder Sachsen in einer meist rammelvollen Kirche.
Fast ebenso schnell wie die Konzertorte wechselte die Bandbesetzung. Die eine ging zum Studium, der andere musste seinen Wehrdienst leisten und so kamen immer wieder neue Leute dazu (siehe "kennen lernen - Ehemalige"), die mit ihren Ideen und Vorstellungen die Band und ihr Repertoire beeinflussten. Gespielt wurde neben den Liedern der christlichen Szene alles, was als gut befunden wurde, ob Renft oder Lift aus dem Osten oder Klaus Lage und Damaris Joy aus dem Westen. Dabei wurde das Material von irgendwelchen kratzigen Platten oder Kassetten runtergehört, dann geprobt und die Noten per Ormek-Abzug oder schwarz-weiß-Foto im Großformat vervielfältigt.
Anfang der 80er Jahre gab es dann eine längere stabile Phase in der Geschichte der Band, die für einen deutlichen Qualitätsschub sorgte, aber auch dafür, dass die Bandmitglieder im Durchschnitt alle das frühe Jugendalter hinter sich ließen. Die Sorge des ev. Kirchenkreises um jüngeren Nachwuchs für die Bandarbeit führte zur Gründung einer neuen Band, die von den alten Hasen begleitet wurde. Diese setzten sich aber nicht zur Ruhe sondern beschlossen, von nun an unter dem Namen Patchwork auch ohne die kirchenkreisliche Unterstützung Musik zu machen.
Der Erfolg gab ihnen Recht, zumal es nicht allzu viele Amateurbands auch im staatlichen Bereich gab, die, was Spielfreude und Qualität anging, mit ihnen mithalten konnten. So etwas spricht sich natürlich herum und da die Zeiten vorsichtig dabei waren, sich zu ändern, kam es zur ersten Einladung der Kulturabteilung der Kreisleitung des Bezirks Potsdam ins Klubhaus "Phillipp Müller" zu einer Einstufungsveranstaltung für Bands. So reif, das eine christliche Band eine staatliche Einstufung bekommen hätte (die immerhin den Stundenverdienst bei Konzerten in der Öffentlichkeit regelte) war die Zeit dann aber doch noch nicht. Zwei weitere Jahre vergingen und im Oktober '89 bekam Patchwork dann eine Urkunde mit der Bestätigung als Band der "Sonderstufe mit Konzertberechtigung" (siehe "lesen - Presseschau - Teil 1"), die höchste Einstufung für Amateurbands, die genau noch einen Monat ihre Gültigkeit besaß, bevor nach dem Fall der Mauer der Freie Westen und mit ihm auch die Freie Marktwirtschaft Einzug hielt.
Diese Wende führte im Leben der Band zu mehreren Konzerten mit alten Ostgrößen wie Arno Schmidt und Keimzeit, zu Auftritten in vielen Strafvollzugsanstalten im Osten und Kulturhallen der Partnerstädte tief im Westen, zu einem ersten im Westen aufgenommenen Demo Tape, aus dem dann in einer Woche eine Kassette mit 21 Liedern wurde, ersten tollen Gigs im Ausland und den ersten eigenen Titeln Marke Patchwork. Den kleinen Konzerten in Gemeinden und Clubs folgten große Auftritte vor tausenden Leuten bei Kirchentagen oder Weltjugendtagen z.B. in Paris und Rom. Dem ersten Tape folgten über die Jahre 4 weitere CDs mit eigenen Liedern und diverse Muggen, auch in Rundfunk und Fernsehen. Von 2007 bis 2013 waren die Patchworker nicht ganz so regelmäßig unterwegs, denn Leadsänger Christoph lebte mit seiner Familie für diese sechs Jahre in Mexico, kam aber zu Konzerten ca. vier mal im Jahr für jeweils zwei Wochen nach Deutschland. Bei einer Mexiko-Tournee im März 2010 hatte die Band dann bei mehreren Konzerten die Gelegenheit, auch selbst Land und Leute kennen zu lernen. Aber wie alle nicht so leichten Zeiten in der Bandgeschichte hat Patchwork auch diese sechs Jahre unbeschadet überstanden und arbeitet seither neben den Konzerten in einem neuen Probenraum wieder an neuem Material. Eine neue CD gibt es seit dem 30. Bandgeburtstag im Herbst 2017 auch. Wer die Patchworker zu sich einladen möchte, sollte langfristig anfragen, um sich einen der begehrten Termine zu sichern.